Ist Mister Spex pleite? - Hintergründe und die aktuelle Lage

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  • vor 2 Monaten

Verfasst von Redaktion (blR)

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Mister Spex ist ein 2007 gegründeter Online-Optiker, der sich zum Omnichannel-Optiker mit sowohl Online-Shops als auch stationären Geschäften in mehreren Ländern entwickelt hat​. Im Sommer 2021 ging Mister Spex an die Börse (IPO) zu einem Ausgabepreis von 25 € je Aktie​. Seitdem kämpft das Unternehmen mit der Profitabilität und befindet sich finanziell unter Druck. Insbesondere in den Jahren 2022 und 2023 schrieb Mister Spex hohe Verluste in zweistelliger Millionenhöhe (im Jahr 2022 z.B. rund 45 Mio. € Nettoverlust​), trotz steigender Umsätze. 2023 wuchs der Umsatz zwar auf etwa 224 Mio. € (≈ +6 %), doch unterm Strich blieb erneut ein hoher Verlust​.

Anzeichen von Schwierigkeiten statt Insolvenz

Insolvenz ist derzeit nicht eingetreten – Mister Spex hat keinen Insolvenzantrag gestellt. Allerdings gibt es deutliche Anzeichen finanzieller Schwierigkeiten. Mitte 2024 musste das Unternehmen eine Gewinnwarnung herausgeben und seine Jahresziele nach unten korrigieren​.

Die Prognosen für 2024 wurden von Umsatzwachstum auf mögliches Umsatzminus von bis zu –6 % gesenkt, und auch für die operative Marge (EBITDA) stellte Mister Spex ein mögliches negatives Ergebnis in Aussicht​. Diese Warnung ließ den Aktienkurs auf ein Rekordtief absacken – zeitweise nur noch ca. 2,30 €, also unter 10 % des IPO-Preises.​

Weitere Krisensignale waren personeller und strategischer Natur. Im Juli 2024 trat überraschend Gründer und CEO Dirk Graber zurück; auch zwei prominent angeworbene Aufsichtsräte warfen nach kurzer Zeit das Handtuch​. Zwischen den Aktionären gab es Streit, u.a. initiiert durch eine Gruppe aktivistischer Investoren, was Unruhe ins Management brachte​. Diese Führungskrise spiegelte die finanziellen Probleme wider und verstärkte Befürchtungen über die Zukunft des Unternehmens​.

Trotz dieser Alarmsignale ist Mister Spex zahlungsfähig geblieben. Das Unternehmen verfügte z.B. zur Jahresmitte 2024 noch über knapp 100 Mio. € liquide Mittel​. Diese Cash-Reserven stammen vor allem aus dem Börsengang und ermöglichten es, die Verluste eine Zeit lang aufzufangen. Allerdings zeigte der Cash-Burn in H1 2024 (ca. 11 Mio. € Abfluss in sechs Monaten), dass ohne Gegenmaßnahmen mittelfristig die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit bestehen könnte. Die Insolvenzgefahr war also latent vorhanden, sollte der Negativtrend anhalten – daher wurden umgehend umfangreiche Restrukturierungen eingeleitet, um ein Abrutschen in die Insolvenz abzuwenden​.

Ursachen der finanziellen Probleme

Die finanzielle Schieflage von Mister Spex hat mehrere Ursachen:

  • Hohe Kosten und Investitionen: Als wachstumsorientierter Omnichannel-Anbieter hat Mister Spex stark in Expansion und Filialnetz investiert. Die Zahl der eigenen Geschäfte stieg bis 2023 auf 70 Filialen in Deutschland und Europa. Dieses Filialwachstum und der Aufbau eines Partnernetzwerks (über 300 Partneroptiker) verursachten erhebliche Kosten. Zwar trugen die stationären Stores zum Umsatzwachstum bei (2022 wuchs der Kernmarkt Deutschland um 11 %​), doch drückten Ladenmieten, Personal und Infrastruktur auf die Margen.
  • Stockende Auslandsexpansion: Besonders die internationalen Märkte erwiesen sich als schwierig. Mister Spex expandierte u.a. nach Österreich, Schweden und in die Schweiz, konnte dort jedoch nicht profitabel wachsen​. Die acht Auslandsfilialen blieben hinter den Erwartungen zurück und belasteten die Bilanz. Das Management erkannte letztlich „keinen Weg zu profitablem Wachstum in diesen Märkten“ in angemessener Größenordnung​.
  • Anhaltende Verluste und Preisdruck: Trotz Umsatzsteigerungen schrieb Mister Spex Jahr für Jahr Verluste, teils durch aggressive Rabattschlachten und Marketingaufwand. Das Unternehmen setzte lange auf hohe Rabatte und Promotions, was zwar Kunden lockte, aber die Bruttomarge drückte. 2024 begann Mister Spex, diese Rabattaktionen zurückzufahren, was kurzfristig den Umsatz dämpfte, aber die Marge verbesserte​. Zusätzlich übte die Konkurrenz – allen voran Branchengigant Fielmann – Druck auf Preise und Marktanteile aus​. Mister Spex’ Versuch, Fielmann Marktanteile abzunehmen, war bisher nur begrenzt erfolgreich, während Fielmann mit eigener Online-Strategie kontert.
  • Externe Faktoren: Das gesamtwirtschaftliche Umfeld belastete ebenfalls die Konsumlaune. Nach einem pandemiebedingten Aufschwung in 2021/22 wirkten Faktoren wie der Krieg in der Ukraine und steigende Lebenshaltungskosten dämpfend auf die Verbraucherstimmung​. Brillen zählen zwar zum Bedarf, doch teure Neuanschaffungen (etwa Markenbrillen oder Sonnenbrillen) wurden von Kunden teilweise zurückgestellt. Zudem führte ungewöhnlich schlechtes Wetter im Frühjahr/Sommer 2024 laut Mister Spex zu geringeren Sonnenbrillen-Verkäufen („adverse weather“), was zum verfehlten Halbjahresziel beitrug​.

Diese Kombination aus internen Herausforderungen (Kostenstruktur, Expansionsfehler) und externen Einflüssen resultierte in rückläufigen Gewinnen bzw. steigenden Verlusten. Das Management sah sich daher gezwungen, gegenzusteuern, um eine ernste Liquiditätskrise oder gar Insolvenz zu verhindern.

Restrukturierungsprogramm „SpexFocus“

Als Reaktion auf die Krise lancierte Mister Spex im August 2024 ein umfassendes Transformations- und Restrukturierungsprogramm mit dem internen Namen „SpexFocus“​. Dieses Programm, vom Aufsichtsrat beschlossen, soll das Unternehmen zurück in die Spur bringen​.
Wesentliche Maßnahmen daraus sind:

  • Filialschließungen im Ausland: Alle acht internationalen Filialen – fünf in Österreich, zwei in Schweden, eine in der Schweiz – werden geschlossen. Die Auslandsmärkte werden also vollständig aufgegeben, um Verluste zu stoppen. Bereits bis Ende 2024 sollten diese Schließungen und Marktaustritte vollzogen sein​.
  • Personalabbau: Rund 10 % der Belegschaft (ca. 130 von 1.300 Mitarbeitern) müssen das Unternehmen verlassen​. Durch diese Entlassungen sollen die Personalkosten deutlich sinken. Den verbleibenden Mitarbeitern wird ein Chief Restructuring Officer (CRO) zur Seite gestellt – Mister Spex hat zum 1. September 2024 mit Christopher Douglas erstmals einen CRO ernannt, der die Umsetzung der Sanierungsprojekte steuert​.
  • Preisanpassungen statt Rabatte: Mister Spex kündigte an, seine Preisstrategie zu ändern. Künftig sollen weniger Rabattaktionen den Absatz pushen; stattdessen werden die Produktpreise moderat erhöht bzw. „angepasst“.Damit will man die Profitabilität pro Verkauf steigern und die Wertwahrnehmung der Marke verbessern, auch wenn dies kurzfristig etwas Umsatz kostet​. Erste Effekte zeigen sich in einer deutlich erhöhten Bruttomarge im Q3 2024 (+3,02 %-Punkte auf 48,8 % Bruttomarge) durch weniger Rabatte und mehr hochmargige Produkte​.
  • Marken- und Strategieänderung: Es erfolgt eine Neupositionierung der Marke Mister Spex mit Fokus auf Optiker-Kompetenz und qualitativ hochwertige Produkte. Eine neue Marketing-Kampagne zielt speziell auf anspruchsvolle Kundengruppen (40–60 Jahre, Bedarf an Gleitsichtbrillen) ab, um Mister Spex als „vertrauenswürdigen Optiker fürs Leben“ zu etablieren. Zudem wurde ein eigenes Premium-Glasmarkenprodukt („SpexPro“-Linsen) eingeführt, das pro Auftrag ~30 € mehr Umsatz bringt und bei Kunden gut ankommt​. Diese strategische Ausrichtung soll die Abhängigkeit von Schnäppchenaktionen verringern und den Durchschnittsbon erhöhen.

Das Programm SpexFocus soll laut Unternehmen ab 2025 voll wirken und eine EBITDA-Verbesserung von über 20 Mio. € bringen​. Dem stehen Einmalkosten von ca. 9 Mio. € (hauptsächlich 2024) für die Umsetzung gegenüber​. Unterm Strich erhofft sich Mister Spex daraus einen nachhaltig positiven Free Cashflow-Beitrag (etwa +2 Mio. € pro Jahr allein durch die Store-Schließungen)​. Das Management betont, diese Transformation sei nötig, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität sicherzustellen​.

Finanzielle Auswirkungen: Die ersten Ergebnisse der Restrukturierung wurden bereits im 2. Halbjahr 2024 sichtbar. So blieb Mister Spex trotz Umsatzrückgang im Rahmen der angepassten Prognose und konnte die Profitabilität auf Produktebene steigern​.

Der Nettoumsatz sank 2024 vorläufig um etwa 3 % auf ~216 Mio. € (v.a. wegen der Filialschließungen im Ausland) und lag damit im mittleren Bereich der Erwartung​. Das bereinigte EBITDA war wie angekündigt zwar negativ, blieb aber innerhalb der prognostizierten Spanne​ – was bedeutet, dass Mister Spex sein eigenes (reduziertes) Ziel nicht verfehlt hat. Besonders positiv entwickelte sich der deutsche Kernmarkt: Trotz allgemeiner Zurückhaltung erzielte das stationäre Geschäft in Deutschland 2024 ein flächenbereinigtes Umsatzwachstum von +2 %​. Dies unterstreicht die Bedeutung der deutschen Filialen als Rückgrat des Geschäfts. Gleichzeitig sank der Auslandsumsatz durch den Rückzug erwartungsgemäß stark (-17 % im Q3 2024 yoy)​, was aber Teil der gewollten Fokussierung ist.

Zukunftsaussichten des Unternehmens

Angesichts der durchgeführten Maßnahmen und der nach wie vor soliden Liquiditätsbasis bestehen Chancen, dass Mister Spex eine Insolvenz abwenden und das Ruder herumreißen kann. Das Management zeigt sich zuversichtlich, dass die Strategieanpassung und Kostensenkungen ab 2025 greifen und nachhaltig profitables Wachstum ermöglichen​. Ab 2025 will Mister Spex sogar auf EBIT (Gewinn vor Zinsen und Steuern) als neue Kennzahl umstellen, um die finanzielle Leistung transparenter zu machen​ – ein Signal, dass man echte Gewinne in Aussicht stellt. Sollte das SpexFocus-Programm wie geplant Einsparungen von >20 Mio. € bringen​, könnte Mister Spex bereits 2025 operativ die Schwarze Null erreichen oder leicht positiv abschneiden. Die ersten Schritte – etwa die gesteigerte Marge und stabile Kernumsätze – sind ermutigend​.

Allerdings bleiben auch Risiken. Die optische Branche ist hart umkämpft; mit einem nach wie vor angeschlagenen Aktienkurs und aktivistischen Anteilseignern im Hintergrund steht Mister Spex unter hohem Erwartungsdruck​. Gelingt es nicht, die Trendwende zu schaffen, könnten in einigen Jahren doch Liquiditätsengpässe auftreten, wenn die Barreserven aufgebraucht sind. Eine Insolvenz oder Zerschlagung von Mister Spex wäre sowohl für die rund 1.300 Mitarbeiter als auch die über 7 Millionen Kunden ein schwerer Schlag​. In der Branche würde ein Wegfall von Mister Spex den Wettbewerb neu ordnen – traditionelle Ketten wie Fielmann oder Apollo/GrandVision könnten weitere Marktanteile gewinnen, während Partneroptiker einen wichtigen Online-Absatzkanal verlieren würden. Zudem wäre das Vertrauen in E-Commerce-Modelle in der Augenoptik beeinträchtigt, da Mister Spex als Pionier dieses Segments galt.

Derzeit deutet jedoch vieles darauf hin, dass Mister Spex den Kurs hält und sich bemüht, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Offizielle Stellen und seriöse Berichte melden keine Insolvenz, sondern vielmehr einen harten Sanierungskurs mit vorsichtig optimistischen Zwischenergebnissen​.

Ob Mister Spex langfristig wieder zum Erfolg wird, hängt davon ab, wie konsequent die eingeleiteten Maßnahmen umgesetzt werden und wie die Kunden auf die neuen Preise und Angebote reagieren. Die kommenden Quartale (2025) werden zeigen, ob das Unternehmen die Trendwende schafft. Vorerst gilt: Mister Spex ist nicht insolvent, aber wirtschaftlich herausgefordert – mit realistischen Chancen auf Besserung durch die laufende Restrukturierung​.

Quellen: Aktuelle Presseberichte (u.a. t-online, WELT, rbb24) zeichnen ein Bild von den Schwierigkeiten und Sanierungsplänen​. Offizielle Unternehmensmitteilungen bestätigen die finanzielle Lage (z.B. gekappte Prognose, SpexFocus-Programm) und liefern Kennzahlen​. Branchenmedien (MAFO, eyebizz) sowie Finanz-Nachrichtenagenturen (dpa/Reuters) untermauern diese Informationen und ordnen die Maßnahmen ein​.

Diese übereinstimmenden seriösen Quellen zeigen, dass Mister Spex zwar kriselt, aber mit rigoroser Sanierung versucht, eine Insolvenz abzuwenden und sich für die Zukunft neu aufzustellen.

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